Die Erscheinung Baddy Dolly Jane
Exklusiv für das Baddyforum International beschreibt die Kunsthistorikerin und Kuratorin Valérie Hammerbacher die Ästhetik der Baddy Dolly Jane und erklärt ihr Verhältnis zur Kunst und Populärkultur.
Vorwort
Den Oberkörper von Baddy Dolly Jane ziert ein rotes Wams aus Kunstfell. Es betont die plastisch gewölbten Brüste, die fast schwerelos direkt unter dem Kinn zu schweben scheinen. Verglichen mit dem sonst zierlichen Körper, besitzen sie bedrohliche Dimensionen, was in einer sexuell-erotisch aufgeladenen Ästhetik mündet, die dieser Figur eine aufdringliche Gegenwart verleiht. Die Füße stecken in weißen Söckchen und Pumps, das Oberteil wird durch einen schwarzen Lackgürtel mit einem „B“ als Schnalle zusammengehalten. Auch hier setzt Baddy Dolly Jane auf eindeutige Signale: Taille und Busen – zwei starke Argumente auf jeder Besetzungscouch. Ausgestattet mit diesen Requisiten trifft man sie in Museen, auf Biennalen, Kunstmessen, in Galerien und auf wichtigen Partys.
Von Baby zu Baddy — Hinter dem Vordergrund
Der Horror-Klassiker „What Ever Happened to Baby Jane“ aus dem Jahr 1962 spielt nicht nur in dem Haus der gealterten Schwestern Blanche und Jane Hudson in Hollywood. Nein, neben dem antiquierten Ambiente aus Vorhängen, Tapeten und Lüstern gibt es eine zweite, eindrückliche Bühne, die der Regisseur Robert Aldrich mit Nahaufnahmen ins Bild setzt: Es ist das Gesicht der Schauspielerin Bette Davis. Ihre Lippen sind rot ausgemalt, die Augen schwarz umrandet und die Brauen mit einer nähgarndünnen Linie nachgezeichnet. Auf ihrer linken Wange befindet sich eine Mouche, ein Schönheitsfleck, der ebenso maskenhaft wirkt wie die blonden Locken, die das Gesicht umrahmen. Bette Davis’ weiß geschminkte Haut mit ihrem kontrastreichen Make-up ist der Schauplatz für die Stummfilm-Mimik des psychotischen Charakters „Jane“. Die sprunghaft wechselnden Gemütszustände, die zwischen Naivität, Brutalität und entrücktem Wahnsinn pendeln, mimt die damals 54-jährige Hollywoodlegende mit aufgerissenen Augen und gebleckten Zähnen. Ihre Stimme ist der Soundtrack für diesen abrupten Wandel – mal piepst sie kindlich, dann brüllt sie wieder bis zur Dezibelgrenze.
Baddy Dolly Jane ist ein Derivat dieser filmischen Kunstfigur. Sie ist schrill und exzentrisch. Ihr Schönheitsfleck blitzt an derselben Stelle auf, an der ihn auch Bette Davis trägt, ihr Mund ist ebenso stark überzeichnet und selbst das Filmoutfit mit Baskenmütze kehrt wieder. Schließlich macht es auch die Namensgebung deutlich: Beide sind nicht nur Gesichtsgeschwister, sondern auch namensverwandt. Die Performancekünstlerin leiht sich einige Buchstaben bei Baby Jane, verändert jedoch ihre Bedeutung. Aus Baby wird Baddy. Sie verkehrt das Kindliche in das „Schlechte“, verwandelt das brave Mädchen in die ungezogene Göre. Beide Geschöpfe stammen zwar aus der Welt der Inszenierung, der Aufführungen und des Theatralischen; die eine ist jedoch nicht die Nachstellung der anderen. Baddy kopiert nicht einen spezifischen Charakter, sondern bedient sich an den Formeln der Bühnenfigur. Sie spielt mit den Elementen der Maskierung und greift in den Fundus der Verkleidungen. Spielerisch gelingt es ihr, die Künstlichkeit zu demaskieren, indem sie diese in die Realität überführt.
Während Baddy keck im gelben Minirock posiert, träumt Baby sich in einem weißen Hängekleidchen immer wieder in die Zeit als Kinderstar zurück. Die eine lebt in vergangener Größe, die andere aktualisiert sich mit jeder Aktion aufs Neue. ■
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