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Leserbrief zum Artikel „Intellektuelles Hausbesetzertum“

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Aus der Redaktion

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January 20, 2018

Sehr geehrte Redaktion, lieber Herr Rautertal,

in Ihrem Artikel „Intellektuelles Hausbesetzertum“ habe ich einige Unstimmigkeiten bemerkt. Sie beschreiben darin die Aktion einer jungen Künstlerin in der Staatsgalerie Stuttgart, lassen jedoch wichtige Details aus. Da ich als Augenzeugin vor Ort war, will ich nun meine Einschätzung der Situation darstellen. Im Rahmenprogramm der Ausstellung „HeissKalt“, die Werke der Sammlung Scharpff zeigte, fand ein Künstlergespräch zwischen dem Maler André Butzer (geb. 1973) und der Kuratorin Gudrun Inboden statt. Einige Kostproben: „Wie gehen Sie mit dem Erfolgsdruck um?“ – „Weiß nicht." – „Sie haben gesagt, ‚Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare.‘“ – „Das ist nicht von mir. Das hab' ich geklaut.“

Der Sinn der Veranstaltung? Was man in diesem Künstlergespräch erfahren hat, ist, dass Butzer ein Freund der Sprachverknappung ist. Ein Nö-Ähm-Nö-Also-Sprachasket. Das ist jedoch leider das Einzige. Ein Dialog über die Sprengkraft zeitgenössischer Kunst sieht anders aus. Kurz vor Schluss meldete sich schließlich die junge Frau zu Wort und trat ans Mikrophon: „André Butzer ist der wichtigste Maler seiner Generation. Niemand versteht es so pastos, so schonungslos, so hemmungslos tierische Exkremente auf einer Leinwand auszubreiten. Stimmen Sie dem zu?“ Butzer: „Äh!? Ja, äh.“ Lachen.

„Jede Wahrheit braucht eine Mutige, die sie ausspricht“ – so würden es Bürgerrechtler beschreiben. Denn als nächstes trug sie ein Gedicht vor und formulierte, was die meisten im Publikum über die Veranstaltung dachten. „Todall besoffen bist du nicht/Warum kotzt du mir ins Gesicht!?/Weil kommst du aus Oehlens Stall?/Für mich ist das doch scheißegal!/Von Holst nimmt dich in "Heißundkalt"/Für mich ist das nur scheißegal!/Ob groß, ob klein, ob kalt, ob heiß/Jeder Scheiß hat seinen Preis./Trotz Hetzler, Ahrens, ‚Isotrot‘/Für mich bleibst du ein Voll$$$$$!“

Kurzes, schockiertes Schweigen im Saal. Danach belebter Applaus.

Dr. Christine B. Bird,

Stuttgart

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